Die grösste Herausforderung der Möbelindustrie

Yves von Ballmoos

Digitalisation

Die Möbelindustrie steckt mitten in einem riesigen Wandel, deren Ausmass derzeit wohl noch kaum erfassbar ist. In einem sind sich alle von mir befragten Top-Manager der Industrie aber einig: Die grösste Herausforderung ist die Digitalisierung! Doch was genau ist damit gemeint? Die digitalisierten Prozesse, E-Commerce, die Konkurrenz der Pure-Player, Blockchain in der Beschaffung, Same-Day-Delivery? Die Facetten der Digitalisierung, welche dem doch so behäbigen stationären Möbelhandel das Leben schwer machen, sind umfassend. Die Wesentlichsten beleuchte ich in der Folge:

Statistik Gesamtbedeutung bei MöbelnDer Onlinehandel ist sicherlich die Speerspitze der Digitalisierung. Sie sticht den traditionellen, vorwiegend stationären Häusern mitten ins Herz. Es gibt Prognosen die besagen, dass bis Ende des nächsten Jahres rund ein Drittel der 2017 gezählten 30’000 deutschen Möbelgeschäfte weg sind – wegen dem Onlinehandel!

Überleben dürften nur jene, die eine umfassende, kundenfokussierte Digitalisierungsstrategie verfolgen. Convenience, Auswahl, Mehrwerte und Transparenz müss dabei für den Kunden im Vordergrund stehen.

Selbstverständlich werden auch Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) eine Rolle spielen. Heute sind es wohlgemerkt noch Gadgets die wenig Umsatz generieren, wie ich selbst die Erfahrung machen musste. Nichts desto trotz wird diese Technologie früher oder später eine wichtige Rolle spielen. Die Frage ist nur wann! Vorerst geht es um primärere Bedürfnisse, welche die Digitalisierung für den Kunden erfüllen muss: Wie finde ich das richtige Produkt für mich? Zum einen erlauben uns digitalisierte Tools wie «line extention» oder Konfiguratoren eine Unmenge an Produkten anzubieten, doch ist das Richtige für mich als Kunde dabei? Wie schaffe ich es dem Kunden online eine passende Beratung anzubieten? Boots genügen diesen Ansprüchen heute noch lange nicht, near-shoring online Beratung ist auch nicht gerade günstig (Set-up, Qualität und Betrieb) und ein klassisches Call-Center dann wohl auch nicht die Zukunftslösung. Kleinformatigen Läden kommt in diesem Zusammenhang eine ganz gewichtige Rolle im modernen multi-channel Möbelhandel zu. Hier können Muster erhältlich sein, Beratungen erfolgen und Lieferungen abgeholt werden, etc. ROPO3 ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht ein zu wenig dynamischer Begriff. Der Kunde von heute – und jener von morgen noch viel mehr – hüpfen zwischen den Kanälen hin und her, dauernd. Dies erscheint absolut schlüssig, doch ist es kaum messbar, was es zu einem gewissen Mysterium für die Retailer macht, die sich gewohnt sind ihren Kunden auf Schritt und Tritt verfolgen zu können.

Customer Journeys werden in diesem Kontext ihrer zugesprochenen Bedeutung eigentlich nicht mehr gerecht und trotzdem braucht es sie um die verschiedenen «Medien» aufzuzeigen.

Customer Journey

Die Digitalisierung ist darin überdeutlich geworden. Niemand kauft heute mehr Möbel ein, ohne sich vorgängig online informiert zu haben. Niemand kauft einen teuren Einrichtungsgegenstand ein, ohne diesen gegoogelt zu haben. Was wird darüber berichtet, gibt es Bewertungen? Stimmt der Preis, worauf muss ich achten, etc. Und trotzdem kommen ganz traditionelle Verhaltensmuster / Touchpoints noch immer vor: Freunde, Mund-zu-Mund, PR. Wir schliessen daraus: Image ist wichtig. Trotz allen Rabattschlachten die sich die Grossanbieter liefern, dürfen wir die Imagekomponente bei der Anschaffung eines so gewichtigen Artikels wie beispielsweise eines Sofas nicht unterschätzen. – Es wird aber laufend gemacht! Will ich als Konsument wirklich ein Investitionsgut bei einem «Einrichtungshaus» kaufen, der dauernd mit Rabatten um sich wirft und seine primäre Leistung kaum mehr aufzeigt? Schauen Sie sich mal die Home-Seite aller bekannten (traditionellen) grossen Möbelhäuser an. Gleiches Design, gleiche Navigation und gleicher Aufhänger – der Preis! Vergleichen Sie es mit den Pure-Playern: Inspiration pur! Aber eigentlich wären doch die stationären Händler die Inspirations-Profis! Ähnlich verhält es sich in der restlichen Kommunikation. Imagewerbung ist bei den Stationären ja schon fast zum Schimpfwort geworden, selbst erlebt!

Welche Aufgabe übernimmt denn der Onlineauftritt genau? Für Pure Player ist er logischerweise alles. Für multi-channel (hautsächlich aber stationäre) Anbieter nur ein Shop, eine Filiale? Oftmals erscheint es so und damit greifen die Ansprüche viel zu kurz. Auch wenn der online Shop Umsatz bringt, so ist er angesichts des ROPO Effekts genauer auf die Bedürfnisse in der Customer Journey hin auszugestalten. Die händlerspezifischen Kernkompetenzen sowie Differenzierungsmerkmale sollten erkennbar sein, denn der Kunde entscheidet aufgrund dessen, ob er in den Laden gehen wird oder nicht! Dass sich praktisch alle über den Preis differenzieren, kann einfach nicht sein. Hausaufgaben machen, bitte!

Da gibt es also einiges zu überdenken, im Kontext der Digitalisierung umso entscheidender. Diesen Überlebenskampf gewinnt nicht der technikaffinste, sondern derjenige, der den Kunden und seine Bedürfnisse am besten kennt.

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